Software-as-a-Service à la bexio – eine Alternative zu unseren Lösungen?

Geschätzte Lesezeit: Etwa 8 Minuten (1'535 Worte)

Die Software-Industrie befindet sich derzeit inmitten eines Grossversuchs, in dem die Kunden bzw. die Anwender davon überzeugt – und von Herstellern wie Adobe sogar dazu gezwungen – werden sollen, Software nicht mehr (auf CDs oder DVDs) zu kaufen, sondern nur noch zu mieten und über das Internet zu nutzen (Software-as-a-Service). Wie der Versuch ausgehen wird, ist derzeit völlig offen. Selbst ein Scheitern auf breiter Linie und eine Rückkehr zum Verkauf von Software sind denkbar – und gar nicht einmal so unwahrscheinlich, wie eine nähere Betrachtung der Vorteile und – vor allem – der Nachteile für die Anwender zeigen wird. Für die Software-Industrie wird natürlich ein Traum wahr, denn mit Mietsoftware, die nur bei aktiver Internet-Verbindung funktioniert, können nicht nur regelmässige Einnahmen generiert, sondern auch Lizenzen optimal kontrolliert und sogar Programme auf Endgeräten blockiert werden, die über keine gültige Lizenz (mehr) verfügen. Und ganz nebenbei lassen sich völlig ungehemmt und weitgehend unbemerkt noch jede Menge Benutzerdaten sammeln, auswerten und/oder gewinnbringend verkaufen…

Entsprechend vollmundig werden die angeblichen Vorteile der 'Software aus der Cloud' angepriesen… Microsoft – etwa – wirbt mit folgender Aussage für seine Mietsoftware Office 2016: 'Kreativer, mobiler, unabhängiger und produktiver arbeiten – das sind die Vorteile, die Ihnen Office 2016 auch in Ihrem Arbeitsumfeld bietet'. Das sind zunächst einmal reine Behauptungen, die durch nichts belegt sind und einem Faktencheck wohl kaum standhalten. Kann solche Werbung überhaupt ihr Ziel erreichen? Auch die bexio AG aus Rapperswil sucht mit lauter unschlagbaren Vorteilen Mieter für ihre Business Software für Kleinunternehmen, ein vermeintliches Konkurrenzprodukt zu unseren Lösungen: 'bexio ist Software-as-a-Service. Arbeiten Sie wann und wo Sie wollen. Sie müssen nichts installieren und können an jedem beliebigen Computer arbeiten. Unsere moderne Infrastruktur garantiert schnellen Zugriff und höchste Datensicherheit. Auch um die Backups kümmern wir uns. Alles, damit Sie sich auf Ihr Geschäft konzentrieren können'.

Nun gibt es bekanntlich nichts, das nur Vorteile bietet, und das auch noch ohne Ende. Um so wichtiger ist es, die Nachteile zu kennen, die man sich mit internetbasierter Mietsoftware einhandelt und die aus gutem Grund verschwiegen werden. Vergleicht man – etwa – die Aussagen von bexio mit unseren Fakturierungslösungen, die auf Notebooks immer schon mobil eingesetzt werden konnten, so reduzieren sich die Vorteile ganz schnell auf den Wegfall der Installation. Natürlich kann man auch mit bexio nicht an jedem beliebigen Computer arbeiten, denn ohne Internet-Verbindung geht gar nichts. Mit unseren Lösungen können Sie dagegen auch dann noch arbeiten, wenn kein Internet-Zugang besteht oder die Verbindung vorübergehend unterbrochen ist, wann und wo auch immer Sie wollen.

Nicht einmal den 'schnellen Zugriff' kann bexio – wie behauptet – garantieren, denn entscheidend ist die jeweilige konkrete Internet-Verbindung, auf die bexio gar keinen Einfluss hat. Je langsamer die Internet-Verbindung, je grösser das bei Mietsoftware übertragene Datenvolumen und je aufwendiger die durchzuführenden Operationen, desto länger geraten die Wartezeiten bei der Arbeit mit der Mietsoftware… bis hin zur völligen Unbrauchbarkeit. Kein Wunder, dass die Beispieldatenbank in den Videos von bexio nur einige wenige Datensätze enthält… Wer weiss, wie lange selbst eine simple Selektion dauert, wenn mehrere Tausend Datensätze durchsucht werden sollen, und ob komplexe Selektionen aus demselben Grund überhaupt angeboten werden.

Die wachsende Nutzung internetbasierter Software stellt übrigens schon jetzt eine starke Belastung für das Internet dar. Wenn der Ausbau der Kapazitäten, der momentan bei einer Verdoppelung pro Jahr liegt, mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten kann, wird es zu einer Überlastung kommen, zumindest zeitweilig. Ein Internet unterschiedlicher Geschwindigkeiten, bei dem grössere Datenmengen und höhere Geschwindigkeiten ganz sicher mit erheblichen Zusatzkosten verbunden sein werden, wird bereits diskutiert und ganz sicher auch schon vorbereitet. Vor diesem Hintergrund sind mittel- und langfristig stabile – und bezahlbare? – Software-Mieten und Kosten für einen hinreichend schnellen Internet-Zugang eher unwahrscheinlich…

Die behauptete 'höchste Datensicherheit' müssen die Anwender wohl glauben, denn überprüfen können sie nicht, wo sich ihre Daten physisch befinden und wer Zugang zu ihnen hat oder sich verschaffen kann. Verlangt wird folglich nicht weniger als blindes Vertrauen in Personen und Firmen, die man gar nicht kennt. Das trifft auf das Cloud-Computing insgesamt zu, also auf das Speichern von Daten auf – fremden – Servern im Internet. Warum sollte jemand derartig unkalkulierbare Risiken eingehen, insbesondere bei Geschäftsdaten, die normalerweise als besonders schützenswert gelten? Wer würde Unbekannten auch noch das Backup seiner Daten anvertrauen und damit die Kontrolle über die eigenen Daten vollends an Fremde abgeben?

Ein solcher Schritt wird völlig unverständlich, wenn bei näherer Betrachtung kaum noch Vorteile übrigbleiben. Möglicherweise sind geringere Anfangsinvestitionen ein solcher Vorteil, auch wenn dieser schon mittelfristig durch deutlich höhere Betriebskosten teuer bezahlt werden muss. Nespresso ist dafür ein klassisches Beispiel. Aber auch ein solcher Startvorteil gilt für die Business Software von bexio nur dann, wenn sie die unverzichtbaren Anforderungen des Mieters auch tatsächlich abdeckt und keine extrem kostspielige Zusatzprogrammierung anfällt, sofern ein solcher Service überhaupt angeboten wird.

Nach erster Sichtung bietet die Software von bexio zwar ein breites Spektrum von Funktionen an, doch halten sich die Möglichkeiten der Anpassung an die eigenen Anforderungen, also der Parametrisierung durch den Anwender selbst, in sehr engen Grenzen, was wohl in der Natur webbasierter Software liegt. Mietsoftware im allgemeinen verstärkt damit einen Trend, der seit einigen Jahren wieder bei Herstellern wie Microsoft zu beobachten ist: sie versuchen wieder, die Anwender dazu zu zwingen, ihre Arbeitsgewohnheiten und ihre Anforderungen an die jeweilige Software anzupassen. So wird – etwa – willkürlich eine Benutzeroberfläche durch eine völlig andere ersetzt, wie bei Windows 8 oder Microsoft Office 2007, ohne die Möglichkeit anzubieten, die alte Umgebung weiterzunutzen. Auch bexio sieht vor, dass Word für Windows oder Outlook durch namenlose Apps abgelöst werden, die man in der Business Software aktivieren kann. Schliesslich soll die Lösung ja überall funktionieren, ohne dass etwas installiert werden muss. So sollen wegen der sogenannten 'Mobilität' bewährte Programme durch Apps ersetzt werden, von denen niemand weiss, ob es sie morgen noch gibt. Kann professionelles Arbeiten so noch sichergestellt werden?

Damit wären wir bei einem weiteren, nicht zu unterschätzenden Nachteil von Software-as-a-Service: der Mieter gerät schutzlos in einen Strudel von Abhängigkeiten und wird so zu einem Spielball der Launen von Software-Herstellern, die von der Praxis der Anwender ihrer Software oft Lichtjahre entfernt sind. bexio hat sich für seine Business Software einen starken Bank-Partner gewählt, mit dem der Datenaustausch ausprogrammiert ist und sich damit besonders einfach gestaltet: die UBS. Auf den ersten Blick handelt die UBS ganz im Sinne ihrer Kunden, wenn sie ihnen scheinbar uneigennützig eine Lösung empfiehlt, die so viele Vorteile bietet. Erst auf den zweiten Blick wird erkennbar, dass es sich um einen Pakt handelt, der gewollte Abhängigkeiten schafft. Das ist natürlich auch eine Art von Kundenbindung… Wer bexio nutzt, wird auch nicht die Bank wechseln (können), mit der die Lösung so verzahnt ist. Und nicht zufällig war es vor allem die UBS, der vor wenigen Jahren in der Folge von Skandalen reihenweise die Kunden davonliefen.

Eine andere Abhängigkeit ist noch gravierender: wer sich von Herstellern wie Microsoft keine radikale Änderung seiner Arbeitsgewohnheiten oder die Anpassung seiner Anforderungen an neue Software-Versionen aufzwingen lassen wollte, der kaufte eben solche Updates nicht. So wurden – etwa – Windows 8 (und wahrscheinlich auch Windows 10) sowie Office 2007 zu Flops und zwangen den Hersteller zum Überdenken seiner Politik. Bei Mietsoftware entfallen solche Einflussnahmen komplett, da die Hersteller von der – aus Anwendersicht längst widerlegten, irrigen – Annahme ausgehen, dass die neueste Version ihrer Software immer auch die beste Version ihrer Software sei. Entsprechend werden Updates einfach eingespielt, ohne dass die Anwender eine Wahl oder ein Mitspracherecht hätten. Böse Überraschungen sind damit im wörtlichen Sinne vorprogrammiert. Wer sich damit nicht abfinden will, dem bleibt nur die Kündigung des Mietvertrags. Wenn da nur nicht die vielen Abhängigkeiten wären… Dass denkende Menschen, erfolgreiche Geschäftsleute, mündige Bürger sich für etwas mehr Mobilität, von der im Einzelfall nicht einmal nachgewiesen ist, dass man sie wirklich braucht, freiwillig fremden Menschen total ausliefern, ist sicher ein Phänomen, das die Soziologie noch lange beschäftigen wird, auch weil sich hier in besonderer Weise offenbart, mit welch simplen – und zum Grossteil leeren – Versprechungen die Manipulation von Massen bis hin zu ihrer eigenen Entmündigung wieder möglich geworden ist.

Ähnlich wie beim Klimaschutz bleibt nur noch wenig Zeit, diese Negativentwicklung durch kollektives Konsumverhalten zu stoppen. Viele gekaufte Programme, darunter auch Adobe Acrobat XI, Microsoft Office 2010, Windows 7 oder unsere eigenen Lösungen auf der Basis der Adressverwaltungssoftware WinCard Pro können noch viele Jahre weiterverwendet werden. Der Umstieg auf Mietsoftware kann so sicher noch mindestens fünf Jahre verweigert werden… Es ist, wie gesagt, derzeit noch offen, wer in diesem Prozess den längeren Atem hat… Darauf deutet auch die Tatsache hin, dass noch bis August 2016 Computer verkauft werden, auf denen Windows 7 vorinstalliert ist…

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für die Lektüre dieser etwas ausführlicher geratenen Antwort auf die Frage im Titel dieses Beitrags genommen haben… Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören…

Veröffentlicht von Armin Biermann 8 Jahren vor, 13.2.2016

4 Antworten zu “Software-as-a-Service à la bexio – eine Alternative zu unseren Lösungen?”

  1. 17. Februar 2016 at 12:39

    Lieber Armin,
    als Programmier muß ich im Prinzip alles ausprobieren, also habe ich auch Mietsoftware ausprobiert, z.B. Office und kostenlose Software, wie Windows 10. Die Office Versionen 2013/16 habe ich wegen der kontrastarmen Benutzeroberfläche nach 14 Tagen wieder entfernt, trotz des größeren Risikos, daß meine Mails unverschlüsselt sind, denn alle Virenscanner, die ich habe, waren unfähig, die Verschlüsselung zu knacken, und so konnte beliebige Schadsoftware übertragen werden. Windows 10 habe ich ebenfalls wieder entfernt, weil es mich mit sinnlosem Müll überschüttete. Als dann Win 10 an AVM Fritz! Sticks scheiterte und ich 2 Wochen lang nicht mehr ins Internet konnte, habe ich meinen PC vollkommen neu aufgebaut. Ich arbeite wieder mit Win 7 und Office 2010, obwohl ich einen gültigen Mietvertrag für alles andere habe bis 2019. Auf keine einzige meiner Support Anfragen habe ich von MicroSoft auch nur eine Antwort erhalten, außer „Vielen Dank für Ihr Feedback“ bei Mails oder „Ihr Rechner ist nicht für Win 10 zertifiziert, deshalb kein Internet.“ bei telefonischer Anfrage. Tatsächlich war der Onboard Ethernet Chip defekt. Besonders froh bin ich, daß meine alten und sehe geschätzten Dos- Spiele wieder funktionieren, obwohl die Spiele unter Win 10 noch das Beste waren. Rainer Rauch

  2. 15. Februar 2016 at 19:53

    „…. ist sicher ein Phänomen, das die Soziologie noch lange beschäftigen wird, auch weil sich hier in besonderer Weise offenbart, mit welch simplen – und zum Grossteil leeren – Versprechungen die Manipulation von Massen bis hin zu ihrer eigenen Entmündigung wieder möglich geworden ist.“

    Dem ist rein gar nichts hinzuzufügen, Armin.

    Ausser vielleicht: … und die sich dabei noch glücklich fühlen und flugs ihre Selfies bei Facebook posten – auf dass es möglichst viele „Freunde“ „liken“.

    Was für ein Irrsinn….!

  3. Marc Meyer
    15. Februar 2016 at 15:33

    Lieber Herr Biermann

    Vielen Dank für diese interessanten Ausführungen, welche mich zum Nachdenken bringen.

    Freundliche Grüsse
    Marc Meyer

  4. Heinz Wilhelm
    14. Februar 2016 at 14:19

    Lieber Herr Biermann
    es freut mich sehr, wieder mal einen systemkritischen Artikel von Ihnen zu lesen – da ich Ihre Neujahrs-Gedanken zum Weltgeschehen schon etwas vermisse.
    Ja – die ganzen Cloud-Geschichten machen mich auch nachdenklich. Und – so altmodisch es klingen mag – ich bevorzuge es schon, wenn ich ein gekauftes Programm wirklich auch in den Händen halten kann, sei es Musik oder Software. Nicht nur wegen der Haptik.

Kommentare sind geschlossen.